Bundestag fühlt Verwertungsgesellschaften auf den Zahn

Bei einer Anhörung im Parlament wiesen Experten auf schwere Probleme bei der Aufsicht und den Ausschüttungsverfahren der Rechtevertretungen von Urhebern hin und forderten mehr Transparenz sowie Effizienz.

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Bei einer Anhörung der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Bundestags wiesen Experten auf schwere Probleme bei der Kontrolle und den Ausschüttungsverfahren von Verwertungsgesellschaften hin, die für die Urheber geschützter Werke die Gebühren und Pauschalen für die Nutzung ihrer Schöpfungen einziehen und an die Urheber ausschütten sollen. Sie forderten mehr Transparenz sowie Effizienz der Vertretungen von Urhebern. "Die Aufsicht funktioniert nicht", beklagte etwa Thomas Hoeren, Informationsrechtler an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Hinblick auf die Tätigkeiten des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), das die Verwertungsgesellschaften kontrollieren soll. Er plädierte für die Einsetzung einer EU-weiten Kontrollbehörde, da das DPMA "zu sehr verfilzt" sei mit den Verwertungsgesellschaften. "Es sind Fehlentwicklungen festzustellen", ergänzte Martin Vogel, Mitglied der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes. So werde etwa teilweise gegen das Treuhandgebot verstoßen und gegen die Interessen der Mitglieder Geld an unberechtigte Empfänger ausgeschüttet.

Vogel sprach konkret die jährliche Zahlung von 280.000 Euro der VG Wort an Berufsverbände von Wissenschaftlern an, obwohl der Großteil davon überhaupt keine Rechte zur Wahrnehmung an die Verwertungsgesellschaft abgetreten habe. "Jeder Berechtigte muss sein Werkschaffen nachweisen, aber die Verbände kassieren ungeprüft seit den Achtzigern", empörte sich Vogel. Erst mit einer Klage gegen die VG Wort von Verlegern sei Bewegung in die Sache gekommen. Gemeinsam mit Hoeren wies Vogel ferner auf Ungereimtheiten insbesondere bei der Verwertungsgesellschaft für Film- und Fernsehproduzenten (VFF) hin. Dort gebe es eine Klausel, wonach der Großteil der Erlöse automatisch an Sendeunternehmen überwiesen werde. Deren tatsächliche Verwertungsvorgänge lägen aber deutlich unter dieser Quote, sodass ihnen deutlich weniger Geld zustünde. Bei der VG Wort wiederum seien "auch Verleger drin", obwohl diese keine Leistungsschutzberechtigten seien und daher nichts zu kassieren hätten, führte Hoeren die Kritik fort.

Der DPMA-Präsident Jürgen Schade räumte ein, dass in seinem Haus "nur ein kleiner Bereich" mit fünf Personen über die Verwertungsgesellschaften wache. "Wir waren manchmal nicht schnell genug" bei der Beantwortung von Fragen von Wissenschaftlern wie Hoeren, gab der Hüter geistiger Schutzrechte zu. Man könne sich schließlich nicht "personalmäßig einfach vermehren". Den Vorwurf der Verfilzung und der Korruption wies Schade aber "massiv zurück". Seine Behörde sorgen dafür, dass es bei der Ausschüttung der jährlich bei den Verwertungsgesellschaften eingehenden rund 1,1 Milliarden Euro mit rechten Dingen zugehe und nichts veruntreut werde. Im konkreten Fall der VG Wort habe man im Rahmen einer Schlichtung zunächst zudem einen Kompromiss hinbekommen, mit dem sich die Verleger aber trotz zunächst erfolgter Zustimmung letztlich doch nicht einverstanden erklärt hätten.

VG-Wort-Vorstand Ferdinand Melichar wiederum verwies auf mehrfach erfolgte Prüfungen der Zahlungen an die Wissenschaftsverbände durch die Aufsichtsbehörde, die gemeinsam mit einem eingeholten Gutachten keinen Anlass zur Änderung der Praxis aufgezeigt hätten. Generell wehre man sich nicht gegen Transparenz und Aufsicht. Jürgen Becker, Vorstandssprecher der GEMA, sprach von einer "engmaschigen und effizienten Kontrolle", auch wenn es sich bei seiner Einrichtung faktisch um ein Monopol handle. Klagen von Nutzerorganisationen wie der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände über eine Verdoppelung der Tarife für die Musiklizenzierung in den vergangenen zwanzig Jahren gegenüber der Inflationsrate wies er zurück, da es sich dabei um "bescheidene Erhöhungen" handle. Als Grund für den hohen Bedarf für die eigene Verwaltung gab Becker an, dass es sich bei der GEMA um eine "Basisdemokratie" handle. Die Mitglieder hätten sich für einen sehr feinen Ausschüttungsplan ausgesprochen, der eben "teuer ist".

Schlechte Noten erhielt bei der Anhörung, deren Ergebnisse in einen Report mit eventuellen Hinweisen für gesetzgeberische Maßnahmen münden sollen, die Empfehlung der EU-Kommission zur Vereinfachung der Lizenzierungspraktiken von Verwertungsgesellschaften im Musiksektor für Online-Angebote vom Herbst 2005. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy wollte Ende vergangenen Jahres erste Anzeichen erkannt haben, dass Songs für den digitalen Vertrieb einfacher freigegeben werden. Laut Melichar werden die Aufgaben der kulturellen Instanzen zur Rechtewahrnehmung damit jedoch auf die reiner Wirtschaftsunternehmen verkürzt. Auch für Josef Drexl vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum in München weist der Kommissionsvorstoß "vollkommen in die falsche Richtung". Verwertungsgesellschaften seien keine reinen Dienstleister gegenüber der Rechteindustrie. Für ausübende Künstler könnte es mit der Initiative schwerer werden, überhaupt Zugang zu Verwertungssystemen zu finden.

Georgios Gounalakis, Rechtsprofessor an der Phillips-Universität Marburg, hält den von Brüssel angestrebten verstärkten Wettbewerb auch um die Nutzer von Verwertungsgesellschaften prinzipiell für notwendig. Dieser führte dazu, dass das Abdriften der Tarife nach unten und oben verhindert werde. Das Kommissionsmodell übersehe aber "spezifische Funktionen von Verwertungsgesellschaften". Prinzipiell müsse ein Modernisierungsprogramm unter anderem den Erwerb von Lizenzen des gesamten Weltrepertoires abgesichert durch gesetzlich festgeschriebene Gegenseitigkeitsverträge garantieren und Benachteiligung kleinerer Verwertungsgesellschaften verhindern. Auch in den USA gebe es mit den dortigen zwei Verwertungsgesellschaften im Musiksektor allein einen Wettbewerb um Rechteinhaber, erläuterte Becker zudem. Man müsse letztlich zu beiden gehen, um sich Nutzungsrechte einräumen zu lassen. Für die Kreativen bringe dies keine besseren Erträge mit sich, da die Tarife "im höchsten Maße von Washington reglementiert sind".

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)